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Einführung zur Ausstellung Malerei Andrea Humpert-Faßlrinner und Fotografie Bernhard Schmitt bei Systec & Services am 11.12.2009 von Dr. Dietmar Lüdke

Andrea Humpert –Faßlrinner zeigt 50 Arbeiten, fast ausschließlich kleine und mittelgroße Staffelei- und Wandbilder. Sie sind auf die Räume und Flure der Firma verteilt. Diese haben humane Dimensionen und entsprechen in ihrem Zuschnitt und ihrer farbigen Fassung dem privaten, persönlichen Charakter, der Andrea Humpert-Faßlrinners Bilder auszeichnet. So fördern diese Räume ein nahes, genaues Betrachten der Exponate und ermöglichen vorübergehend ein Leben mit ihnen.

Die hier gezeigten Arbeiten lassen sich thematisch in sechs Werkgruppen gliedern. Als erstes sind hier die Bilder mit Figuren in Räumen zu nennen, die darauf hinweisen, dass der Mensch im Zentrum von Andrea Humpert-Faßlrinners Arbeit steht.

Seit der Akademiezeit befasst sie sich mit Bildnissen. Neben dem eigenen Porträt sind es überwiegend solche von Frauen und Kindern, Jugendlichen und alten Menschen aus ihrer Familie und ihrem Freundes- und Lebenskreis. Erfasst sind sie in nah gesehenen Kopf –und Brustbildern, in halber oder dreiviertel Figur, nahgerückt und die Bildflächen füllend. Doch überwiegend stellt sie ihre Modelle einzeln und in ganzer Figur dar, im Zentrum raumhaltiger Kompositionen, in der Mitte ihres häuslichen Ateliers in Knielingen, sitzend in einem neobarocken Lehnstuhl, vor dem Fenster, umflossen von Licht und umgeben von dem, was in eine Künstlerwerkstatt gehört. Diese Porträts sind zugleich Atelierbilder, entstanden im persönlichen Umfeld der Malerin. Dies trifft auch auf die zweite, besonders feine Werkgruppe zu, die Stillleben mit Gefäßen, Blumen und sonstigen Gegenstände, die wie zufällig auf dem großen Tisch oder in einer Ecke ihres Atelier stehen und ein wenig von oben erfasst sind.

„Fensterbilder“ bezeichnet Andrea Humpert-Faßlrinner die Kompositionen, die meist Blicke aus den Atelier- bzw. Küchenfenstern oder in durchfensterte Raumecken und Winkel im kleinen, laubenartigen Hof des Knielinger Hauses festhalten. In diesen Bildern durchdringen sich die Interieurs mit der Außenwelt, deren Motive scheinbar mit dem Tageslicht in die Innenräume dringen und sie erfüllen.

Neben diesen Bildern, die Figürliches und Gegenständliches zum Ausgangspunkt haben, existiert eine große Werkgruppe abstrakter Farbkompositionen und –Improvisationen. Entweder bestehen sie aus farbigen Punkten und Flecken in freier, tänzerischer Anordnung oder es liegt ihnen ein streng orthogonales Raster zu Grunde. Diese strukturierten, oft großformatigen Arbeiten werden von der Malerin „Tagwerke“ genannt. Denn an den Tagen eines Jahres werden geometrische Felder fortlaufend von links nach rechts und von oben nach unten farbig bemalt. Die wechselnden Farbstimmungen dieser Felder entsprechen den Lichtstimmungen des jeweiligen, durch die Atelierfenster wahrgenommenen Tages und verkörpern somit ein gemaltes Tagebuch, das in seiner Rasterblattform an die Jahreskalender an den Wänden der hiesigen Büroräume erinnert. Der sechsten und letzten Werkgruppe sind die Bilder zuzuordnen, die Elemente der abstrakten Rasterkomposition mit den figürlich- gegenständlichen Elementen der Porträts, Stillleben und Fensterbilder zu einem Amalgam aus Punkten, Flecken, Streifen, Rastern und figürlich- gegenständlichen Chiffren vereinen.

Wenn Andrea Humpert-Faßlrinners Bilder auch als Einzelporträts, als Figurenpaare oder Familiengruppen, als Stillleben oder Fensterausblicke zu beschreiben sind, bilden sie doch nichts ab, schreiben nichts fest, sondern deuten Wirkliches nur tastend an. Als Zeichen, Schemen, Spuren und Abbreviaturen von Figuren und Gegenständen sind sie um eine kompositorische Mitte konzentriert. Andrea Humpert-Faßlrinners lichte, atmosphärische Bilder umschreiben Stimmungen und evozieren im Betrachter vielfältige Assoziationen. Und schließlich kündet jedes Bild vom Wagnis seiner Entstehung, das heißt von dem bildnerischen Ringen um das künstlerische rechte Maß beim Sichtbarmachen, Andeuten und Weglassen während des Malens.

Die thematische Gliederung der Arbeiten von Andrea Humpert-Faßlrinner in einzelne Werkgruppen scheint nur dann sinnvoll, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es der Künstlerin vor allem um Malerei geht, dass ihr Werk in erster Linie ein malerisches ist. Das bedeutet, dass ihre Bilder Impressionen aus Farben und Licht sind; dass sie dem freien, rhythmischen Treiben von farbigen Gründen, Formen und Linien um Chiffren und Kürzel von Figuren und Gegenständen gleichen.

Die künstlerische Handschrift der Malerin ist persönlich, eigenwillig und unverwechselbar. Dies ist in dieser Ausstellung besonders gut zu entdecken, weil die Arbeiten paarweise und in dichten Reihen gehängt sind und zum vergleichenden Betrachten einladen. So wird der Einzelne etwa die unterschiedlichen Grade des skizzenhaften Auftrags erkennen. Weiter wird er sehen, dass die deckenden, halbtransparenten und lasierenden Farben breit, weich, zarttupfend oder fest stupfend aufgetragen sein können, dass der Pinsel mal locker, wippend oder huschend, mal schlingernd und kräuselnd, mal energisch und mit festem Druck geführt wird. Er wird begreifen, dass die Farben beim Auftragen fließende, zähe oder bröckelnde Konsistenz hatten, dass Flächen und Linien, dass Deckendes, Durchscheinendes und Durchsichtiges dicht neben -, unter- und übereinander liegt und miteinander zu einem diaphanem Geflecht verbunden wurde, ein Geflecht in dem helles Gelb, zartes Grün, kühles Türkis, Rostrot oder Rosa in kleinen Flecken oder Streifen kostbar und köstlich schimmert, leuchtet, glüht und blitzt. Der Betrachter wird schließlich die Vielfalt intuitiv sowie kalkuliert eingesetzter Ausdrucksmittel und Techniken erkennen und auf diese Weise dem Geheimnis der lichten, skizzenhaften und schwebenden Kompositionen der Künstlerin näherkommen.